Tagesschau vom 29.04.1986
35 Jahre sind nichts!
35 Jahre… das klingt wie eine Ewigkeit. Aber was sind 35 Jahre, wenn das Gebiet für die nächsten 24.400 Jahre unbewohnbar bleiben wird ?! Was sind 35 Jahre, wenn Menschen heute noch an den Folgen der Katastrophe sterben? Es ist bis heute nicht möglich, die genaue Anzahl der Opfer, die infolge dieses Unglücks gestorben sind, zu bestimmen. Verschiedene Organisationen sprechen von 4.000 bis 60.000 Toten.
Mir ist es wichtig, all diese Auswirkungen zu erwähnen, bevor ich euch von meinen persönlichen Erfahrungen erzähle, da sich das Bewusstsein für die Katastrophe und das Gebiet etwas in die falsche Richtung entwickelt hat, was auch dem Hype um die TV-Serie und der Selbstdarstellung vieler Touristen geschuldet ist.
Klar, die Sperrzone ist sicherlich sehr spannend, aber am Ende bleibt und ist sie auch ein Mahnmal, auf dessen Grund man sich auch entsprechend verhalten sollte, um den Opfern und deren Hinterlassenschaften Respekt zu zollen.
Das Denkmal direkt vor dem Sarkophag von Reaktor 4
Wo es begann und wo es hoffentlich endet
Mein Interesse an der Katastrophe begann schon lange bevor ich zur Fotografie kam.
Denn im Allgemeinen hatte ich schon immer eine bizarre Vorliebe für bedeutungsschwangere und postapokalyptische Orte, vor allem in Kombination mit tragischen Ereignissen.
Beim Super-Gau von 1986 spielte nicht nur die Katastrophe ab sich für mich eine Rolle: auch die Verkettung von Ereignissen die dazu führten, sowie die Reaktion sowjetische Systems, fesselten mich an diese dunkle Episode der Menschheit.
Darüber hinaus gibt es natürlich meine grundsätzliche Leidenschaft für verlassene Orte und die Hinterlassenschaften der UDSSR. All diese Verknüpfungen führten zu einer wirklich tiefen Verbindung zu diesem Gebiet. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis ich eines Tages die Sperrzone besuchen würde.
Im Jahre 2016 war es dann endlich das erste Mal so weit- und seitdem bin ich der Faszination verfallen.
Im Laufe der Zeit erlebte ich dort einige unvergessliche Momente, traf wundervolle Menschen und genoss die Zeit und die Ruhe. Ich hoffe, dass ich noch weitere Besuche dort erleben kann, um jede Ecke der ukrainischen und belarussischen Sperrzone in Bildern festzuhalten.
Ein Traum von mir ist es eines Tages ein Buch über die Tschernobyl Sperrzone veröffentlichen, um das gesamte Spektrum meiner Fotografien zu zeigen und den Menschen zugänglich zu machen. Auch weil niemand weiß, wie lange es noch möglich sein wird, die Orte in diesem Zustand zu zeigen. Die Substanz der Gebäude hat in den letzten Jahren erheblich abgenommen und mehrere Waldbrände zerstörten bereits einzigartige Dörfer und Orte.
Es ist leider nur eine Frage der Zeit, bis nichts mehr zu sehen sein wird oder ein ungefilterter Blick auf diesen Ort nicht mehr möglich ist.