Begriffe wie Chernobyl, Exxon Valdez oder Deepwater Horizon sind uns allen bekannt. Wir bringen sie unweigerlich mit von Menschen verursachten Umweltkatastrophen in Verbindung. Viele von uns wissen sogar wo wir an diesem Tag gemacht haben.
Aber was bringen sie mit Geamana in Verbindung? Vermutlich nicht viel.

Zum Wohl des Volkes

Der Grundstein für das Schicksal von Geamana wurde bereits 1978 hinter dem Eisernen Vorhang gelegt. Eine Zeit als Rumänien fest in der stalinistischen Hand von Diktator Nicolae Ceausescu befand.
Dieser erlies einen Beschluss das ein Tal im Apuseni Gebirge zu einem Absetzbecken für die größte Kupfermine Rumäniens werden soll. Das inmitten dieses Tals das kleine schöne Dorf Geamana liegt, spielte dabei keine große Rolle. Man beschloß die rund 1000 Bewohner sollten einfach umgesiedelt werden. Die ansässigen Familien wurden zwar dafür entlohnt ihre Häuser aufzugeben, nur zahlte man ihnen so schlechte Quadratmeterpreise,das sie sich woanders nur viel minderwertigere Grundstücke kaufen konnten, oder sich neu verschulden mussten um etwas brauchbares für sich und ihre Familien zu finden.

Nicolae Ceaușescu

Nicolae Ceauşescu bei einer Ansprache 1986

Die Kupfermine Roșia Poieni
©Cristian Bortes

Geamăna vermutlich in den 1960er Jahren

Geamăna ca 1970

Geamăna 2004

Willkommen in der Unwirklichkeit

Ich wurde das erste mal selbst durch einen Reiseblog darauf aufmerksam und waren Sven und ich ca. ein Jahr später auf einer holprigen Straße in Richtung des “giftigen Tals” unterwegs.

Als wir langsam unserem Ziel näher kamen, veränderte sich die Umgebung merklich. Verlassene Minengebäude und eingewachsene Fahrzeuge säumten links und rechts den Weg. Die Zivilisation nahm ab und ich bemerkte langsam das was mich immer wieder an solch tragische Orte zieht. Ein intensives drückendes Gefühl, welch eine Unbehaglichkeit auslöst. Eine depressive Aura macht sich breit und paradoxerweise fühle ich mich dabei wohl. Denn es löst in mir die für meine Bilder nötige Emotion aus um mich voll in diese Umgebung hineinversetzten zu können.

Wir kamen schließlich in Nähe des Ufers und konnten einen ersten Blick auf den “See” werfen. Ehrlich gesagt waren wir sprachlos. “Was zum Teufel ist das ?!” schoss es mir durch den Kopf und auch Sven wirkte als etwas verstört. Es schien als wäre die Oberfläche aus Stein, durchzogen mit Dutzenden kleinen Wasseradern. Wenn man sich dem Ufer etwas näherte sah man aber das der “Stein” in Wirklichkeit eine schlammiger, leicht lehmiger Brei war.

Geamana
Geamana

Im Hintergrund erkannte man die Umrisse der riesigen Kupfermine die für diese schaurige Landschaft verantwortlich ist.
Die Mine Roșia Poieni produziert jährlich rund 11.000 Tonnen Kupfer. Wenn man über diese Menge genauer nachdenkt, kann man sich vorstellen wie groß die Menge an giftigen Chemikalien dabei ist, die man mittels Flotation von dem Kupfererz getrennt hat. Mittlerweile beträgt die Größe dieses Aufangbeckens 360 Hektar. 

toxic valley

Wann kommt die Flut ?

Wir fuhren zu einer anderen Stelle am Ufer und drehten einige Runden mit der Drohne über das Gebiet um einen Überblick zubekommen.
Die Farben die der See dann offenbart sind geradezu skurril. Von Blutrot, über Rostbraun, bis hin zu Azurblau, Gelb und Grau. Auch die Konsistenz ist unterschiedlich. Mal algig mal so starr das man tatsächlich einige Meter darauf laufen kann. Und die schlammige Giftsuppe steigt immer weiter. Genaugenommen 90(!)cm pro Jahr.
So wird es kommen das die letzten 11 Familien die noch am Rande des Sees leben auch bald Weichen müssen. Von der einstigen Kirche von Geamana, welche einst auf einem kleinen Berg über dem See stand, ragt mittlerweile nur noch die Turmspitze heraus und wird wohl in maximal 2-3 Jahren komplett versunken sein.

Die alte Kirche von Gemana
Geamana Drone
Geamana Drone
Geamana von oben

Und sogar unsere Toten nahmen sie uns!

Nun steuerten wir den alten Friedhof von Vinta an.Wir glaubten erst wir seinen falsch, denn dort sollte es auch eine kleine Kirche geben. Aber als wir die ersten Grabsteine aus dem Wasser ragen sahen, wussten wir das der Standort stimmte. Aber wo war die Kirche? Später erfuhren wir das die alte Kirche dort bereits entfernt wurde.Auch der Friedhof ist mittlerweile  fast vollkommen vom (hier algig grünen) Wasser verschlungen.Nur 2-3paar Grabsteine und Kreuze ragen noch aus dem Wasser . Es scheint so als werden die Toten langsam ein zweites mal begraben.

Der alte Friehof von Geamana
der alte Friedhof Geamana
Der alte Friehof von Geamana

Kein Leben

Ein unwirklicher Ort. Als wäre alles Leben dort einfach verschwunden. Keine Tiere oder geschweige denn Fische. Nicht mal Mücken nahm ich wahr das obwohl wir und ja die ganze Zeit so nah am Wasser aufhielten. Die Bäume im Wasser waren eher das Gegenteil von was man blühendes Leben nennt.

Auch wenn der aktuelle Minenbetreiber behaupten das Wasser sei den vorgegebenen Richtwerten entsprechend sauber, kann ich das nur schwer glauben. Wie soll das auch, bei dem allen was man hier wahrnimmt. Das dass Grundwasser der hier noch lebenden Menschen dadurch nicht beeinträchtigt wird, ist auch kaum vorstellbar.

Geamana
Geamana

Das Wasser wird kommen

Am Nachmittag erreichten wir den südlichen Ortsrand von Geamăna. Dort stießen wir auf eine alte Dame die fleißig gerade ihre Tiere fütterte. Sie wirkte auf der einen Seite sehr zerbrechlich aber war sehr flott unterwegs.Ich bewunderte ihre Standhaftigkeit. Das Leben hier ist sicherlich hart und nicht fair, aber sie schien das beste daraus zu machen. Wie ich später in einer ARTE Dokumentation erfuhr (diese hab ich euch unten verkinkt), ist es eines der letzten Häuser des einstigen Ortes in dem sie schon ihr ganzes Leben lebt. Aber auch sie scheint bald gezwungen zu sein, den Ort in dem sie aufgewachsen ist, wo sie ihren Mann 2012 zu Grabe trug und den sie ihre Heimat nennt, für immer verlassen zu müssen.

Geamana
Geamana
die alte Kirche von Geamana
Geamana

Als ich wieder Zuhause die Bilder sichtete, lies ich meine Eindrücke und Emotionen noch einmal Revue passieren und auch warum es mich immer wieder an solch tragische Orte zieht.
 

Vor allem wurde mir bewusst das es neben den großen Tragödien auf unserem Planeten, es auch viele kleine und kaum bekannte Katastrophen gab und wie wichtig es ist gerade diese zu dokumentieren solange dies noch möglich ist.

Die Übeltäter für dieses ökologische Schicksal können nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden und die aktuellen Minenbetreiber sind zwar nun verantwortlich aber letzten Endes müssen auch sie irgendwie mit diesen Gegebenheiten leben, die einst geschaffen wurden.

Eine Frage wird bleiben: Was bringt die Zukunft für die Natur dort?
Für die verbleibenden Menschen kann es nur die Konsequenz haben, sich besser früh als spät ein neues Zuhause zu suchen. Ihre Heimat wird für immer in den schlammigen Massen verschwinden, aber sicherlich nicht aus ihren Herzen.